DESWOS Generalsekretärin Petra Eggert-Höfel und Johanna Drach, Geschäftsführerin und Projektbetreuerin Lateinamerika und Afrika, besuchten Ende November gemeinsam aktuelle und frühere Projekte der DESWOS in Tansania. Petra Eggert-Höfel, schildert ihre persönlichen Eindrücke aus drei laufenden Projekten.
WAISENHEIM IN IRINGA
Das Huruma Center, ein Waisenheim unter der Leitung der evangelischen Diözese im Ort Iringa im Süden Tansanias, war das erste Projekt, das wir besucht haben und es war inhaltlich eigentlich das Schwerste. Dort leben Kinder, die von ihren Familien vernachlässigt worden sind, ausgesetzt wurden, die massivste Gewalt erfahren haben, an HIV/ Aids erkrankt sind, die missbraucht wurden. Das jüngste Kind ist mit eineinhalb Jahren am Busbahnhof aufgegriffen und sofort ins Huruma Center gebracht worden. Ein 13-jähriges Mädchen, das in der Familie mehrfach missbraucht wurde, kann bis heute nicht zur Schule gehen, weil sie Angst hat, dafür das Gelände verlassen zu müssen und dabei ihrer Familie zu begegnen, die sie bedroht. Diese Kinder gehören zu geschätzt 1,5 Millionen Waisenkindern in Tansania.
Kleine Insel der Sicherheit
Um solchen Kindern ein geschütztes Zuhause zu geben, förderte die DESWOS das gerade fertiggestellte Waisenhaus in Huruma für 22 Kinder. Das für 60 Personen ausgelegte Zentrum ist mit aktuell 84 Mädchen und Jungen völlig überfüllt. Das Huruma Center ist zwar eine evangelische Einrichtung. Angesichts der Schicksale dieser Kinder ist die Religionszugehörigkeit der Kinder für die Heimleitung unwichtig. Das Zentrum hat hier eine kleine Insel der Sicherheit geschaffen. Die Direktorin Joyce Engweta beschreibt ihre Arbeit so: „Was wir hier machen, ist den Kindern Liebe geben. Wenn sie im Heim aufgenommen werden, bekommen sie erst einmal Wärme, etwas zu essen und das Gefühl, dass sie etwas bedeuten.“
Die Kinder erhalten Verpflegung, psychologische Beratung, medizinische Versorgung, kostenfreie HIV-Medikamente, eine sichere Unterkunft und Bildung. Die besonders traumatisierten Kinder sind nicht in der Lage die Schule zu besuchen. Beim Rundgang durch das Haus wundert es uns deshalb nicht, als die Direktorin dezent auf die Matratzenschoner aus Plastik hinweist, denn viele Kinder, auch die Älteren, nässen sich aufgrund ihrer Vergangenheit nachts oft ein.
We remove our hands, but not our eyes!
Die Kinder bleiben bis zum 18. Lebensjahr im Huruma Center. Dann unterstützt die Leitung des Waisenhauses die jungen Erwachsenen dabei, eine Ausbildung oder einen Job zu bekommen.
„We remove our hands, but not our eyes”, ergänzte Joyce.
Sie versucht, dann mit wohlwollenden Verwandten Kontakt aufzunehmen und gemeinsam mit dem Kind zu besprechen, ob es eine weiterführende Schule besucht, oder eine Ausbildung beginnt.
Kinder haben dort ein Leben vor sich
Diese Erlebnisse haben mich sehr betroffen gemacht. Umso schöner war das Gefühl, dass sich trotz widriger Umstände viele Menschen nicht damit abfinden wollen und alles tun, um die Situation dieser Kinder zu verbessern. Mir ist hier sehr klar geworden: Wenn man nichts tut, dann akzeptiert man, dass Armut, Ungleichheit und Ungerechtigkeit in Ordnung sind. Zu sagen, dass das, was wir hier tun, doch ein Tropfen auf den heißen Stein sein soll, kann ich nicht akzeptieren. Dass 22 Kinder im Huruma-Center durch unser Projekt gefördert werden, ist gemessen an der ganzen Bevölkerung nominell vielleicht wenig. Aber es sind 22 Kinder – und zukünftige Generationen von Kindern – die durch unser Projekt ein Zuhause und eine Perspektive bekommen! Wir zeigen damit Menschlichkeit. Diese Kinder haben dort ein Leben vor sich!
Die gemeinsame Reise mit Johanna Drach in die Projekte in Tansania hat meine Sicht auf die Projekte sehr verändert. Wenn ich zuvor Fotos und Videos von Projekten gesehen habe, dann immer mit dem Blick aus europäischer Sicht. Jetzt sehe ich die DESWOS-Projekte und die Menschen darin in einem anderen Kontext. Jetzt sehe ich ein Haus im Nirgendwo, weil Menschen sich dort niedergelassen haben, weil es ihre Heimat ist. Sie hatten aber einfach nicht das Glück, in einem reichen Europa geboren zu sein.
Wir werden die Welt mit unseren Projekten nicht retten können. Aber es ist auch keine Alternative, die Welt so hinzunehmen. Ich sehe die Menschen, die sich vor Ort engagieren wollen, es mit ihren eigenen Mitteln aber nicht können, aber eine Idee davon haben, wie es besser sein könnte. Diese Menschen haben unsere volle Unterstützung verdient! Jede Spende bedeutet für die Menschen in den Projekten eine drastische Verbesserung ihres Lebens.
Die Reiseeindrücke aus zwei weiteren Projekten, dem Neubau eines Schlafsaals in der Kiwele Sekundarschule und einem Pilotprojekt am Victoriasee, teilen wir mit Ihnen im Magazin DESWOS brief.