Tag 8: Juba und Staub

Wenn man das erste Mal im Leben auf Kinder in einem Refugee Camp trifft, weiß man nicht genau, wie man reagieren soll, was angemessen ist und was nicht: Haben Sie vielleicht Angst, wenn man ihnen direkt in die Augen schaut? Habe ich sie aber sofort angelächelt, kam mir das auch komisch vor: Was gibt es da zu lachen, hätten sie vielleicht gedacht. Nach den ersten Tagen in Uganda glaubte ich, die Balance – zumindest nach meinem Bauchgefühl –  gefunden zu haben und die Bilder im Camp etwas objektiver und weniger emotional wahrnehmen zu können. 

 

Dieses Gefühl, auf unsere nächste Reisestation in Juba im Südsudan vorbereitet zu sein, habe ich schnell wieder verloren. Wie Gregor mir bereits gesagt hatte, war das Camp nicht vergleichbar: Das Grüne, die größeren Hütten und ihre Hühner oder Bananenbäume, über die sich die Geflüchteten in Uganda so freuten, waren für die Menschen hier in Juba nur ein ferner Traum. Sie wohnten reihenweise in weißen, durch so viel Staub grau gewordenen Zelten, die wie aneinander zu kleben schienen. Die Gerüche zwischen den Zelten waren eine Mischung aus verbranntem Müll und einfachen Latrinen. Hier und da hing Wäsche, von der man nicht behaupten konnte, sie wäre frisch gewaschen. Leere Plastikflaschen, hier und da dreckige Stofffetzen, kaputte Fahrradreifen, Hitze und Staub. Unendlich viel Staub, ich hatte fast das Gefühl, wir wären in der Wüste.

 

In der Mangeteen Schule wurden wir mit Tanz und Gesang von den Schülerinnen empfangen. „Welcome, welcome! We are happy to receive you here“, sangen sie. Ihre Gesichtsausdrücke waren ernst und verschüchtert. Niemand lachte zunächst. Mir wäre es sicherlich auch nicht nach Lachen zumute, wenn ich in der prallen Mittagssonne bei gefühlt 40 Grad tanzen und singen würde.

 

Nach der Ankunft musste ich mich also erst einmal sammeln. Dabei half mir das Arbeitsmeeting mit den Projektpartnern, bei dem Gregor aktuelle Projektbelange besprach. Nach etwa zehn Minuten ging ich aus dem Büro raus und stellte mich erneut der heißen südsudanesischen Sonne. Das Treiben in der Schule war lebendig, schien auf den ersten Blick  etwas chaotisch: Während einige Kinder im Klassenraum saßen und beschäftigt waren, liefen andere im Innenhof herum oder spielten miteinander. Langsam spürte ich mehr und mehr Blicke. Einige Schulkinder lachten und zeigten auf mich und meine Kamera. Ich habe mir wirklich gewünscht, einen Schüler oder eine Schülerin für Videoaufnahmen gewinnen zu können. Jemand, der mir das Schulgelände zeigen und erklären konnte, wo sich was befindet.

 

Zum Glück war die 15-jährige Rebecca sehr kommunikativ und führte mich souverän durch die Kinder, die alle in hellgrünen Schuluniformen gekleidet waren. Sie folgten uns jetzt überall hin. Mit der Zeit entspannten sich die Kinder wohl ein wenig. Darauf habe ich gehofft. 

Die Tour war sehr angenehm und aufschlussreich. Im Anschluss durfte ich Rebecca sogar ein Mikro geben und ihr ein paar Fragen stellen. Englisch lerne sie gern, auch Fußball sei für sie eine tolle Freizeitbeschäftigung. Mathe sei nicht so toll. Auch mir ging es so, sagte ich, als ich noch zur Schule ging. Ein ganz normales Kind.

 

Nach dem kurzen Mittagessen besuchten wir noch die Schulen in den Stadtteilen Mauna und Kapuri. Auch hier war die Atmosphäre ähnlich. Beide Schulen hatten aber jeweils einen schönen Baum, der immer für etwas Schatten sorgte. Das fanden alle toll und nahmen es zum Anlass, einige Meetings oder sogar auch Unterrichtseinheiten „under the tree“, also unter dem Baum, zu veranstalten. Auch hier konnte ich einige Stimmen und Bilder zum Alltag sammeln sowie die Meinungen von Kindern, LehrerInnen und unseren Projektpartnern. 

 

Ich war sehr gespannt und freute mich besonders darauf, nach der Reise in die Postproduktion zu gehen und vieles, was im Reisetagebuch steht, auch in bewegten Bildern zu erzählen.

Aber zuerst noch ein letztes Foto zum Abschluss dieses Tages: Die Sonne ging unter. Davor eine Palme. Ein romantisches Motiv, würden wir normalerweise sagen. Doch ist es das?

 

Ivo Kamenov

Ivo ist begeisterter Fachmann in Bezug auf alles, das mit Social Media und Pixeln zu tun hat. So ist er im Team Presse beim GdW für den Social Media-Auftritt und die Onlinekommunikation zuständig. Er produziert Fotos, Videos und Grafiken. Bei der DESWOS unterstützt Ivo seit 2019 tatkräftig die AG Social Media in Sachen Content und Marketing.

Mit 1.000 Fragen und Ideen, seiner Kamera und DESWOS-Projektbetreuer Gregor Peter hat Ivo sich am 19. November 2021 auf die Reise zu den Hilfe zur Selbsthilfe-Projekten in Afrika gemacht.