TAG 6: Kyangwali – Familienbesuch

Die ersten Impressionen, die wir gestern mit unserer Kamera aufnehmen konnten, wollten wir heute um ein paar Familienbesuche erweitern. Und obwohl bei den Interviews alle ausgesprochen schüchtern waren, haben sie sofort ihre Bereitschaft gezeigt, uns ihr Zuhause zu zeigen, womit ich eher weniger gerechnet hatte. Da so viele Kinder und Jugendliche teilnehmen wollten, haben wir einen Plan der Wohnorte erstellt, damit wir möglichst viele Stationen auf dem Weg mit dem Auto durch Kyangwali schaffen können. 

 

Im Haus von Shanize, unserer ersten Protagonistin, musste eine Lampe zum Einsatz kommen: Da die Hitze zwischen 10:30 und 15 Uhr unerträglich ist, haben Shanizes ältere Geschwister alle Fenster und Türen zugemacht. Kein Sonnenstrahl durfte ins Zimmer hinein. Ein Lichtassistent musste also her. Ihr wohl kaum einen Meter großer Bruder wollte den Job unbedingt haben, um etwas Licht ins Setting zu werfen. Und das machte er super: Im Wohnzimmer saßen zwei Freunde, Shanizes abgemagerte Katze lag auf dem staubigen Sofa und schien sich für die Kameraarbeiten nicht zu interessieren. Ein Bett im Schlafzimmer, viele Geschwister schliefen auf Matratzen auf dem Boden. Ein paar Hosen, die vom Bettrand hingen, sonst nur nackte Wände, keine Deko. Die Küche war fast leer bis auf etwas Salz in einem Plastikteller, ein paar gelben Wasserkanistern, die überall in Uganda rumliegen und einem Haufen grüner Bananen in der Ecke – eine spezielle Kochsorte.

Shanize führte mich souverän durch die halbdunklen Zimmer und gab eine sehr gute Reiseleiterin ab. Zum Schluss haben wir noch ein Familienfoto gemacht, auch wenn nicht alle Zuhause waren. Shanize hat sieben Geschwister.

 

Besonders beeindruckend war die Visite bei Gigis Familie. Es hat sehr viel Spaß gemacht, mit ihr zu drehen, da sie offen war, sehr viel zu erzählen hatte und super English spricht. Schließlich will sie ja Journalistin werden und über das Leben erzählen, wie sie es kennt. Auch investigativen Journalismus findet sie spannend. Um ihrem Land und den Menschen in Uganda zu helfen, Korruptionsfälle ans Tageslicht zu bringen und bessere Voraussetzungen für Bildung und Entwicklung zu schaffen. Ihre ambitionierten Ziele stehen aber im krassen Widerspruch zur Einstellung ihrer Eltern: 

 

"Mein Papa findet Journalismus ist Quatsch und entmutigt mich sehr oft, mich damit zu beschäftigen. Auch meine Stiefmutter findet es keine gute Idee, sie verstehen mich nicht". 

 

Weil sie mich fragte, wie sie ihren journalistischen Weg am besten einschlägt, war mein erster Gedanke: Über die DESWOS! Ich bat sie um einen kurzen Text, den ich im Rahmen des Reiseblogs veröffentlichen wollte und am nächsten Tag bekam ich ihn tatsächlich – auf Papier in einem braunen Briefumschlag. Vorhang auf für unseren ersten Gastbeitrag:

 „Hallo, ich heiße Nkurunziza Gislaine, bin 19 Jahre alt und Geflüchtete aus Burundi.

Ich möchte nur über meine Erkenntnis und mein Glück sprechen, dass ich großartige Menschen und Freunde aus Deutschland kennengelernt habe. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich Menschen getroffen, mit denen ich meinen Traum teilen kann: Was mir das Gefühl gibt, dass ich das schaffen kann.

Ich bin sehr dankbar, dass ich mit ihnen sprechen konnte. Während des Gesprächs habe ich viel von ihnen erfahren und auch über mich selbst. Nach dem Gespräch sind wir durch das Refugee Camp gelaufen, was viel Spaß gemacht hat.

Das einzige Geheimnis, das ich versucht habe, vor meinen neuen Freunden zu verbergen ist, dass ich mein Bestes geben und mit einem von ihnen in Deutschland als Journalistin arbeiten werde. Ich möchte jedem, der meine Nachricht liest, sagen, dass er sich in dem was er tut von nichts entmutigen lassen sollte. So wie ich stolz bin, eine junge Journalistin zu sein und weiß, dass ich es schaffen werde – denn Übung macht den Meister.

 

Vergesst nicht, das war die Journalistin Nkurunziza Gislaine, am 23. November 2021 von 9 Uhr morgens bis 18 Uhr abends. Ich liebe euch alle.“

 

Mit der Hoffnung, ihren weiteren Texten auch mehr Gehör zu verschaffen, gab ich ihr meine E-Mail-Adresse. Ein Handy hat sie nicht. Kein WhatsApp, kein Telegram. Weder Laptop, noch ein PC stehen ihr zur Verfügung. Ich hoffe, sie findet einen Weg.

Ivo Kamenov

Ivo ist begeisterter Fachmann in Bezug auf alles, das mit Social Media und Pixeln zu tun hat. So ist er im Team Presse beim GdW für den Social Media-Auftritt und die Onlinekommunikation zuständig. Er produziert Fotos, Videos und Grafiken. Bei der DESWOS unterstützt Ivo seit 2019 tatkräftig die AG Social Media in Sachen Content und Marketing.

Mit 1.000 Fragen und Ideen, seiner Kamera und DESWOS-Projektbetreuer Gregor Peter hat Ivo sich am 19. November 2021 auf die Reise zu den Hilfe zur Selbsthilfe-Projekten in Afrika gemacht.